KI-Schulungen in Unternehmen: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

von | Juli 12, 2025 | KI im Personalwesen, News

Nur ein Fünftel der Beschäftigten erhält Weiterbildung – Bitkom-Studie offenbart Handlungsdruck für HR-Abteilungen

Digitale Illustration eines Weiterbildungsseminars: Büroangestellte verschiedener Herkunft sitzen in einem modernen Schulungsraum und schauen auf einen großen Bildschirm mit der Aufschrift 'AI'.
Nur jeder Fünfte erhält eine KI-Schulung im Beruf: Die Bitkom-Studie verdeutlicht den Nachholbedarf in Unternehmen – und das Spannungsfeld zwischen digitalem Fortschritt und Weiterbildungspraxis.

Künstliche Intelligenz hat längst Einzug in die Arbeitswelt gehalten. Doch während der technologische Fortschritt rasant voranschreitet, scheint die betriebliche Weiterbildung kaum Schritt zu halten. Eine aktuelle Umfrage des Digitalverbands Bitkom zeigt: Lediglich 20 Prozent der Berufstätigen wurden bislang im Job zum Umgang mit KI geschult. Für das Personalwesen ist das ein Warnsignal – insbesondere vor dem Hintergrund europäischer Regulierung.


Große Lücke trotz regulatorischer Vorgaben

Seit Februar 2025 verpflichtet die europäische KI-Verordnung Unternehmen dazu, ein „ausreichendes Maß an KI-Kompetenz“ bei allen Beteiligten sicherzustellen – inklusive externer Arbeitskräfte. Dass dennoch 70 Prozent der Beschäftigten bislang keinerlei KI-Schulungen erhalten haben, lässt auf strukturelle Defizite schließen. Personalabteilungen stehen damit nicht nur vor einer betrieblichen, sondern zunehmend auch vor einer rechtlichen Herausforderung.

Der Präsident des Digitalverbands Bitkom, Dr. Ralf Wintergerst, betont zwar die Chancen von KI und plädiert für eine breitere Schulungsoffensive. Doch seine Aussage, die Nutzung von KI „könne sogar Spaß machen“, wirkt im Licht der Studienergebnisse beinahe beschwichtigend. Denn der Ernst der Lage liegt tiefer: Vielen Unternehmen fehlt bislang eine strategische Auseinandersetzung mit den nötigen Qualifizierungsstrukturen.


HR zwischen Kompetenzaufbau und Kulturwandel

Die Bitkom-Studie offenbart zudem eine kulturelle Diskrepanz im Umgang mit KI. Während einzelne Teams punktuell auf Anwendungen wie KI-gestützte Textgenerierung oder Analysewerkzeuge zurückgreifen, fehlt vielerorts ein systematischer Rahmen. Bitkom empfiehlt bedarfsgerechte, kontinuierliche Schulungsangebote – inklusive technischer, ethischer und rechtlicher Inhalte. Doch in der Praxis bleiben solche Ansätze häufig fragmentarisch.

Für HR bedeutet das: Weiterbildung muss über einmalige Toolschulungen hinausgehen. Peer-Learning, Lerncommunities und offene Experimentierformate sind zwar theoretisch anerkannt, in vielen Unternehmen aber noch nicht implementiert. Der Innovationsdruck trifft auf eine Weiterbildungsrealität, die vielerorts noch auf klassische Seminare oder Ad-hoc-Schulungen setzt.


Zwischen Automatisierungsangst und Führungsskepsis

Besorgniserregend ist auch die Wahrnehmung der Beschäftigten selbst: 14 Prozent glauben, dass KI ihren Arbeitsplatz ersetzen könnte. Noch deutlicher ist der Vertrauensverlust in Führungskräfte – rund ein Drittel hält eine KI als Vorgesetzten für vorstellbar. Diese Einschätzungen reflektieren nicht nur technologische Fantasien, sondern auch bestehende Unzufriedenheit mit Führungsstrukturen und Veränderungsprozessen. Für HR-Abteilungen ergibt sich daraus eine doppelte Aufgabe: Kompetenzaufbau und Kulturentwicklung müssen Hand in Hand gehen.


Fazit: Handlungsbedarf statt Lippenbekenntnisse

Die Bitkom-Zahlen verdeutlichen, wie groß die Diskrepanz zwischen technologischem Fortschritt und organisationaler Wirklichkeit ist. Während KI längst im Arbeitsalltag angekommen ist – oft durch private Nutzung in beruflichem Kontext –, fehlt es an flächendeckender, strukturierter Schulung. Personalverantwortliche sollten dies nicht als technisches Detail, sondern als strategisches Führungsproblem begreifen.

Wer KI nur als IT-Tool betrachtet, verkennt ihre systemische Wirkung auf Arbeitsorganisation, Führung und Unternehmenskultur. HR muss in der Lage sein, Bildungsangebote nicht nur bereitzustellen, sondern auch als Teil eines umfassenden digitalen Reifeprozesses zu verankern. Ansonsten droht die vielbeschworene „digitale Transformation“ zu einem bloßen Schlagwort zu verkommen – mit allen Risiken für Wettbewerbsfähigkeit und Mitarbeiterbindung.

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