
Die Arbeitswelt steht vor einem radikalen Umbruch: Künstliche Intelligenz (KI) revolutioniert Prozesse, schafft neue Berufsfelder und stellt traditionelle Jobprofile auf den Prüfstand. Laut einer Studie des Internationale Währungsfonds „Gen-AI: Artificial Intelligence and the Future of Work“ (Cazzaniga et al., 2024) sind in fortgeschrittenen Volkswirtschaften etwa 60 Prozent der Arbeitsplätze von KI betroffen, während dieser Anteil in Schwellenländern bei 40 Prozent und in Niedriglohnländern bei 26 Prozent liegt, während bereits jedes achte Unternehmen KI-gestützte Prozesse implementiert hat. Diese Entwicklung führt zu einer steigenden Nachfrage nach spezifischen KI-Kompetenzen, die HR-Abteilungen in den Fokus rücken müssen. Doch welche Fähigkeiten sind besonders gefragt, und wie kann die Personalentwicklung darauf reagieren?
Die Studie: Ansatz und Ergebnisse
Die Studie des Forschungs- und Innovationszentrums Kognitive Dienstleistungssysteme (KODIS) am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO befasst sich mit Qualifizierungsbedarfe und Künstliche Intelligenz –
Ein webanalytischer Ansatz mittels Generativer KI.
Das Forschungsprojekt entstand im Rahmen des Verbundprojekts „KI-Campus-Hub Baden-Württemberg“, das vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft geleitet und von der Dieter Schwarz Stiftung gefördert wird. Ziel des Projekts ist es, mithilfe von KI-Verfahren und digitalen KI-Services datenbasierte Gestaltungshebel abzuleiten, um schnell und effektiv auf regionale Qualifizierungsanforderungen reagieren zu können. Die Studie des Fraunhofer IAO nutzte generative KI, um Informationen aus Webseiten und Stellenanzeigen in Echtzeit zu analysieren, exemplarisch durchgeführt für die Region Heilbronn-Franken. Die Autoren, Jan Mackensen, Raffael Ruppert und Bernd Bienzeisler, analysierten mittels generativer KI die Qualifizierungsbedarfe von Unternehmen in Baden-Württemberg. Dabei kamen webanalytische Verfahren zum Einsatz, die Unternehmenswebseiten und Stellenanzeigen auswerteten, um herauszufinden, welche KI-Kompetenzen gegenwärtig besonders gefragt sind.
Zentrale Ergebnisse der Studie
- Unternehmen haben sehr unterschiedliche Reifegrade im Umgang mit KI: Rund 44 Prozent der analysierten Unternehmen zeigen keine Hinweise auf KI in ihrer Außendarstellung, während lediglich 34 Prozent explizit KI nutzen.
- Der größte Bedarf an KI-Kompetenzen findet sich in den Bereichen maschinelles Lernen (40,1 % der analysierten Kompetenzanforderungen), prädiktive Analysen (23,4 %) und Sprachverarbeitung (9,5 %).
- Interdisziplinäre Fähigkeiten, insbesondere Kommunikations- und Projektmanagementkompetenzen, sind entscheidend für die erfolgreiche Einführung von KI. Besonders häufig nachgefragt sind digitale Transformationsfähigkeiten (24,7 % der Soft-Skill-Anforderungen).
- Die Integration von KI in Unternehmen erfordert nicht nur technische Kenntnisse, sondern auch strategisches Denken und Change-Management-Fähigkeiten.
Limitationen der Studie
- Datenquellen: Die Analyse basiert auf öffentlich zugänglichen Webseiten und Stellenanzeigen. Interne HR-Dokumente oder Mitarbeiterumfragen wurden nicht berücksichtigt, was ein vollständigeres Bild ergeben hätte.
- Generative KI als Analysetool: Die verwendeten KI-Modelle sind leistungsfähig, unterliegen jedoch gewissen Verzerrungen und können Informationen unterschiedlich gewichten.
- Fokus auf eine Region: Die Studie konzentriert sich auf Baden-Württemberg. Die Ergebnisse könnten sich in anderen Bundesländern oder international unterscheiden.
- Unklare Unternehmensstrategie: Die KI-Reifegrade wurden aus der Außendarstellung der Unternehmen abgeleitet. Dies reflektiert nicht zwangsläufig die tatsächliche interne Nutzung oder Investitionen in KI.
Ergebnisse
KI im Unternehmen – Status quo und Reifegrade
Die Nutzung von KI in Unternehmen nimmt stark zu, variiert jedoch erheblich zwischen Branchen und Unternehmen. Laut der Studie zeigen fast die Hälfte der Unternehmen keine Hinweise auf eine KI-Nutzung, während ein Drittel bereits aktiv KI-Technologien verwendet. Besonders das verarbeitende Gewerbe ist ein Vorreiter, insbesondere in Bereichen wie prädiktiven Analysen und Automatisierung. Demgegenüber weist das Gesundheits- und Sozialwesen noch deutliche Defizite auf.
KI-Kompetenzen
Die Analyse von Unternehmenswebseiten und Stellenbeschreibungen verdeutlicht konkrete KI-Kompetenzanforderungen. Dabei dominieren technologische Kompetenzen wie Machine Learning, Natural Language Processing (NLP) und Computer Vision. Ebenfalls sind Kenntnisse in Programmiersprachen wie Python, SQL und Git stark gefragt. Ergänzend gewinnen Soft Skills, insbesondere digitale Transformationskompetenz, Kommunikationsfähigkeit und Projektmanagement, deutlich an Bedeutung. Gefragte Studienabschlüsse sind vor allem Informatik, angewandte Informatik sowie Mathematik und Wirtschaftsinformatik.
Ableitungen für das Personalwesen
Herausforderungen für das Personalmanagement
Das Personalwesen steht vor mehreren Herausforderungen angesichts der schnellen technologischen Entwicklung: Qualifizierungsbedarfe müssen frühzeitig erkannt und gezielt adressiert werden. Ebenso herausfordernd ist die Rekrutierung qualifizierter Fachkräfte und die kontinuierliche Weiterbildung und Schulung bestehender Mitarbeitender. Wesentlich ist zudem die Integration neuer KI-Kompetenzen in bestehende Teams und Unternehmensstrukturen, um eine effektive Nutzung neuer Technologien sicherzustellen.
- Digitale Transformation Skills: Fähigkeit, KI in betriebliche Abläufe zu integrieren und strategisch zu nutzen.
- Kommunikationsfähigkeit: Essenziell, um zwischen technischen und nicht-technischen Teams zu vermitteln.
- Projektmanagement-Kompetenzen: Planung und Steuerung von KI-Projekten.
- Teamarbeit und Innovationsfähigkeit: Erfolgreiche Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams.
Das HR-Management steht vor der Aufgabe, gezielt Talente mit diesen Fähigkeiten zu identifizieren und weiterzuentwickeln. Dies erfordert eine Neuausrichtung der Recruiting- und Weiterbildungsstrategien.
Strategische Handlungsempfehlungen für HR
Um diese Herausforderungen effektiv zu bewältigen, sollten HR-Abteilungen spezifische Kompetenzmodelle und strategische Qualifizierungspläne entwickeln. Zudem sind interdisziplinäre Weiterbildungskonzepte ratsam, die sowohl technische als auch notwendige soziale Kompetenzen umfassen. HR sollte aktiv eine Kultur fördern, die kontinuierliches Lernen und digitale Kompetenzentwicklung unterstützt. Außerdem bietet generative KI wertvolle Unterstützungsmöglichkeiten bei HR-Prozessen wie Bedarfsanalyse und Talent-Scouting.
- Gezielte Rekrutierung: Anpassung von Stellenausschreibungen, um KI-relevante Kompetenzen explizit zu nennen und passende Kandidaten anzusprechen.
- Weiterbildung und Upskilling: Entwicklung von internen Schulungsprogrammen, um bestehende Mitarbeitende auf die neuen Anforderungen vorzubereiten.
- Interdisziplinäre Zusammenarbeit fördern: Vernetzung von HR, IT und Fachabteilungen, um KI-Kompetenzen effektiv einzusetzen.
- Nutzung generativer KI für HR-Prozesse: Automatisierung von Bewerberanalysen und Kompetenzbewertungen durch KI-gestützte Systeme.
- Change Management implementieren: Sensibilisierung der Belegschaft für KI-gestützte Veränderungen und aktive Begleitung im Transformationsprozess.
Praktische Maßnahmen und Best Practices
Erfolgreiche Praxisbeispiele zeigen, dass maßgeschneiderte Qualifizierungsprogramme wesentlich zum erfolgreichen KI-Einsatz beitragen. Kooperationen zwischen Unternehmen und Bildungseinrichtungen sind besonders effektiv, um gezielt grundlegende sowie spezifische KI-Kompetenzen zu vermitteln. HR-Verantwortlichen wird empfohlen, KI-Inhalte systematisch in bestehende Weiterbildungsangebote zu integrieren, um umfassend auf Anforderungen der Digitalisierung vorbereitet zu sein.
Fazit und Ausblick
Zusammenfassend zeigt die Studie des Fraunhofer-Instituts (KODIS) deutlich, dass Personalabteilungen eine zentrale, proaktive Rolle bei der KI-Qualifizierung einnehmen müssen. Frühzeitige und gezielte Qualifizierungsmaßnahmen ermöglichen Unternehmen, das Potenzial von KI optimal auszuschöpfen und nachhaltig wettbewerbsfähig zu bleiben. HR sollte sich auf flexible und interdisziplinäre Weiterbildungskonzepte fokussieren, um der dynamischen Entwicklung von KI-Technologien nachhaltig begegnen zu können.
Wie beeinflusst Künstliche Intelligenz den Arbeitsmarkt?
Künstliche Intelligenz verändert den Arbeitsmarkt erheblich, indem sie neue Berufsfelder schafft, traditionelle Jobs verändert und den Bedarf an spezifischen KI-Kompetenzen erhöht.
Welche Branchen sind besonders von KI betroffen?
Das verarbeitende Gewerbe nutzt KI-Technologien wie prädiktive Analysen und Automatisierung intensiv, während das Gesundheits- und Sozialwesen noch Nachholbedarf hat.
Welche KI-Kompetenzen sind am gefragtesten?
Besonders gefragt sind Kenntnisse in maschinellem Lernen, prädiktiven Analysen und Sprachverarbeitung sowie Programmiersprachen wie Python und SQL.
Welche Soft Skills sind für den KI-Einsatz wichtig?
Interdisziplinäre Fähigkeiten wie digitale Transformationskompetenz, Kommunikationsstärke und Projektmanagement sind entscheidend für den erfolgreichen KI-Einsatz.
Welche Herausforderungen ergeben sich für das Personalmanagement?
HR-Abteilungen müssen frühzeitig Qualifizierungsbedarfe erkennen, Fachkräfte rekrutieren und bestehende Mitarbeiter gezielt weiterbilden.
Wie können Unternehmen KI-Kompetenzen fördern?
Durch strategische Qualifizierungspläne, interdisziplinäre Weiterbildung und die Integration von KI-Inhalten in bestehende Schulungsprogramme.
Welche Rolle spielt generative KI bei der Analyse von Qualifizierungsbedarfen?
Generative KI kann Unternehmenswebseiten und Stellenanzeigen analysieren, um datenbasierte Einblicke in gefragte KI-Kompetenzen zu liefern.
Welche strategischen Maßnahmen sollten HR-Abteilungen ergreifen?
HR sollte Kompetenzmodelle entwickeln, eine Lernkultur fördern und KI-gestützte HR-Prozesse nutzen, um Talente effizient zu identifizieren.