
In der klassischen Ausbildung steht die Wissensvermittlung im Mittelpunkt: Ausbilder:innen erklären, Auszubildende lernen. Dieses hierarchisch strukturierte Verhältnis verliert an Bedeutung, sobald Wissen durch Chatbots jederzeit abrufbar wird.
In der Folge verändert sich die Rolle der Ausbilder:innen grundlegend. Sie werden zu Prozessbegleiter:innen, die Lernprozesse strukturieren, methodisch steuern und die kritische Auseinandersetzung mit KI-Ergebnissen fördern. Fachwissen bleibt wichtig – doch entscheidend ist zunehmend die Fähigkeit, Lernende im Umgang mit digitalen Systemen zu unterstützen, sie zu coachen und bei Unsicherheit Orientierung zu geben.
Diese Rollenverschiebung bringt neue Anforderungen mit sich: didaktisches Feingefühl, technologische Urteilskraft und Erfahrung in der Gestaltung von Lernprozessen, die nicht auf Kontrolle, sondern auf Eigenverantwortung und Dialog beruhen.
Lernen durch Erfahrung: KI als aktiver Sparringspartner
Im Zentrum steht nicht mehr die reine Wissensaufnahme, sondern das Lernen im Tun: Wer mit Chatbots arbeitet, muss selbst aktiv werden – fragen, nachjustieren, bewerten. Lernende entwickeln so ein Erfahrungswissen darüber, wie man mit KI sinnvoll interagiert, welche Fragen Ergebnisse verbessern und woran man erkennt, wenn Informationen unvollständig oder missverständlich sind.
Diese Fähigkeiten lassen sich nicht durch klassische Erklärungen vermitteln. Sie entstehen durch wiederholte Anwendung, kritische Reflexion und Erfahrung. Lernen mit KI bedeutet deshalb, den Lernprozess selbst zum Gegenstand zu machen – ein Perspektivwechsel, der sich auch auf die didaktische Planung auswirkt. Statt linearer Lernziele braucht es offene, flexible Lernformate, die auf individuelle Entwicklung und kontinuierliches Feedback setzen.
Lernen neu denken: Mensch und Maschine im Dialog
Die Interaktion mit KI ist mehr als technischer Einsatz. Sie ist ein kognitiver Aushandlungsprozess: Die Maschine liefert Vorschläge – aber es ist der Mensch, der sie bewertet, erweitert, neu kombiniert. Lernende sind damit keine reinen Empfänger von Wissen mehr, sondern aktive Gestalter von Erkenntnisprozessen.
Gerade in dieser Offenheit liegt der pädagogische Mehrwert: Lernende lernen, mit Unsicherheit umzugehen, verschiedene Perspektiven zu integrieren und selbst Fragen zu entwickeln, anstatt nur vorgegebene Antworten zu reproduzieren. Kompetenzen wie Problemlösungsfähigkeit, kritische Reflexion und der bewusste Umgang mit technologischen Systemen werden zu zentralen Bildungszielen – wichtiger als das reine Faktenwissen.
Nicht nur ein Tool – ein System: KI als Teil der Ausbildungskultur
Für das Personalwesen bedeutet der Einsatz von KI in der Ausbildung mehr als nur die Einführung eines neuen Werkzeugs. Es braucht einen systemischen Blick: KI verändert die Art, wie gelernt, geprüft und zusammengearbeitet wird. Deshalb sollte sie nicht punktuell, sondern als integraler Bestandteil einer modernen Ausbildungskultur verstanden werden.
Das umfasst unter anderem:
Didaktische Gestaltung: Lernformate müssen offen, dialogisch und technologieunterstützt sein.
Kompetenzentwicklung: Neben Fachwissen rücken digitale und reflexive Fähigkeiten in den Fokus.
Evaluation: Bewertet werden nicht nur Ergebnisse, sondern vor allem Prozesse und Urteilsfähigkeit.
Rollenverständnis: Ausbilder:innen begleiten Lernprozesse, gestalten Lernräume und fördern Selbststeuerung.
Lernkultur: Es braucht ein Umfeld, das Experimente erlaubt, Fehler als Lernchancen begreift und Feedback fördert.
Ausbildung mit KI ist kultureller Wandel – kein technisches Update
Die Nutzung Künstlicher Intelligenz in der Ausbildung ist Ausdruck eines umfassenden Wandels – nicht nur technisch, sondern kulturell, didaktisch und strukturell. Lernende, Ausbildende und Organisationen müssen gemeinsam neue Wege des Lernens entwickeln, in denen KI nicht als Ersatz für menschliche Kompetenz verstanden wird, sondern als deren Verstärker.
Für das Personalwesen ergibt sich daraus eine klare Aufgabe: Nicht nur technische Voraussetzungen schaffen, sondern eine Lernkultur ermöglichen, in der Selbstverantwortung, Reflexion und KI-Kompetenz zusammenwirken. Denn der entscheidende Erfolgsfaktor ist nicht die Technologie – sondern die Art, wie Menschen mit ihr zu lernen beginnen.
Transfer in die HR-Praxis: Was bedeutet das für Ausbildungsverantwortliche?
1. KI-Kompetenz strategisch verankern
- Entwickeln Sie ein internes Kompetenzmodell, das digitale Souveränität und den Umgang mit KI explizit berücksichtigt (z. B. Prompting, kritische Bewertung algorithmischer Ergebnisse).
- Nutzen Sie KI-Kompetenz als Teil Ihrer Ausbildungsstrategie, etwa in Zielvereinbarungen oder Entwicklungsplänen.
2. Rolle der Ausbilder:innen weiterentwickeln
- Fördern Sie die Weiterbildung Ihrer Ausbildenden in didaktischen Fragen zur KI-Nutzung (z. B. Lernbegleitung, prozessorientiertes Feedback).
- Verankern Sie ihre Funktion als Coach für digitale Lernprozesse formell in internen Rollendefinitionen.
3. KI nicht als Tool, sondern als System denken
- Bauen Sie KI nicht punktuell ein („Tool im Unterricht“), sondern gestalten Sie ganze Lernprozesse KI-gestützt – z. B. durch Aufgabenformate, bei denen Lernende aktiv mit Chatbots arbeiten.
- Integrieren Sie KI in Ihre Lernplattformen, Feedbackschleifen und Kompetenznachweise.
4. Evaluation neu denken
- Vermeiden Sie reine Wissensabfragen: Prüfen Sie lieber Prozesskompetenz, z. B. durch Reflexionen über Prompting-Strategien oder iterative Ergebnisverbesserungen.
- Nutzen Sie qualitative Kriterien wie Transferfähigkeit, Urteilsbildung oder Selbststeuerung.
5. Lernkultur aktiv gestalten
- Fördern Sie eine Fehler- und Feedbackkultur, in der KI-Ergebnisse gemeinsam reflektiert und verbessert werden – auch als Teil der Teamarbeit.
- Ermutigen Sie Lernende, mit KI zu experimentieren und eigene Lernstrategien zu entwickeln – gerade bei Unsicherheiten und offenen Aufgabenstellungen.
Warum verliert die klassische Rolle der Ausbilder:in an Bedeutung?
Durch KI-Tools wie Chatbots ist Fachwissen jederzeit abrufbar. Ausbilder:innen sind daher weniger Wissensvermittler:innen und zunehmend Lernbegleiter:innen, die Reflexion, Orientierung und methodische Lernprozesse fördern.
Welche neuen Aufgaben übernehmen Ausbilder:innen im KI-Zeitalter?
Sie strukturieren Lernprozesse, fördern den kritischen Umgang mit KI-Ergebnissen und coachen Auszubildende bei der eigenständigen Nutzung digitaler Systeme. Ihre Rolle verlagert sich hin zur Prozessmoderation und didaktischen Steuerung.
Was bedeutet „Lernen durch Erfahrung“ im Kontext von KI?
Lernen mit KI entsteht nicht durch Zuhören, sondern durch aktives Handeln: Fragen stellen, bewerten, verbessern. Dabei entsteht Erfahrungswissen, das klassische Lehrmethoden nicht direkt vermitteln können.
Welche Kompetenzen stehen beim KI-gestützten Lernen im Vordergrund?
Im Fokus stehen Problemlösungsfähigkeit, kritisches Denken, Reflexionsvermögen und der souveräne Umgang mit digitalen Systemen – wichtiger als das reine Reproduzieren von Faktenwissen.
Warum reicht es nicht, KI als einzelnes Tool in die Ausbildung zu integrieren?
KI verändert grundlegende Lernprozesse. Deshalb muss sie systemisch eingebunden werden – in Lernformate, Rollenprofile, Bewertungsverfahren und in die gesamte Ausbildungskultur.
Wie kann das Personalwesen die neue Lernkultur aktiv gestalten?
HR kann durch gezielte Kompetenzmodelle, neue Rollenverständnisse und offene Lernformate die Rahmenbedingungen schaffen. Eine Kultur des Feedbacks, der Reflexion und des Vertrauens ist dabei zentral.
Was bedeutet es, Evaluation neu zu denken?
Statt nur Ergebnisse zu prüfen, sollte die Entwicklung von Denkstrategien, die Qualität von Prompts oder die Fähigkeit zur Ergebnisoptimierung beurteilt werden – also der Lernprozess selbst.
Wie kann man KI-Kompetenz in der Ausbildung strategisch verankern?
Indem man KI-Kompetenzen (z. B. Prompting, Bewertung von KI-Antworten) in Entwicklungsplänen, Zielvereinbarungen oder Ausbildungsrahmen integriert und Ausbilder:innen gezielt dafür qualifiziert.
Wie kann KI helfen, individualisiertes Lernen in der Ausbildung zu fördern?
KI-gestützte Systeme wie Chatbots ermöglichen es Lernenden, im eigenen Tempo, mit individuellen Fragestellungen und auf unterschiedlichen Niveaus zu lernen. So können Lerninhalte personalisiert und gezielt vertieft werden – je nach Vorwissen, Bedarf und Lerntyp.
Welche Risiken oder Herausforderungen birgt der KI-Einsatz in der Ausbildung?
Mögliche Risiken sind etwa fehlerhafte oder voreingenommene KI-Ausgaben (Bias), der Verlust eigener Problemlösekompetenz durch zu viel Automatisierung oder Unsicherheit im Umgang mit digitalen Tools. Auch Datenschutz und Transparenz müssen beachtet werden.
Welche Voraussetzungen müssen im Unternehmen geschaffen werden, um KI sinnvoll in der Ausbildung einzusetzen?
Notwendig sind eine geeignete digitale Infrastruktur, rechtliche und ethische Rahmenbedingungen, qualifizierte Ausbilder:innen sowie eine Lernkultur, die Offenheit, Fehlerfreundlichkeit und technologische Neugier fördert.
Welche Rolle spielt Feedback im KI-gestützten Lernprozess?
Feedback ist zentral, um Ergebnisse mit KI zu reflektieren, Lernstrategien anzupassen und Kompetenzen weiterzuentwickeln. Ausbilder:innen sollten gezielt Raum für Feedbackschleifen schaffen – sowohl mit als auch ohne KI-Beteiligung.
Wie verändert sich die Prüfungs- und Zertifizierungspraxis durch KI-Nutzung?
Statt reiner Wissensabfragen rücken die Bewertung von Problemlöseprozessen, Reflexion, sowie der kreative und kritische Umgang mit KI-Ergebnissen in den Mittelpunkt. Das verlangt neue Prüfungsformate und qualitative Bewertungsansätze.
Wie können Auszubildende den Umgang mit KI systematisch erlernen?
Durch gezielte Lernaufträge, begleitete Prompt-Übungen, Feedbackgespräche und Reflexionsphasen. Auch Peer-Learning und dokumentierte Chatverläufe tragen dazu bei, Erfahrung im Umgang mit KI aufzubauen.
Was unterscheidet digitales Lernen mit KI von klassischen E-Learning-Formaten?
Während E-Learning oft linear und vordefiniert ist, ermöglicht KI ein dialogisches, adaptives und offenes Lernen. Lernende können aktiv mit der Technologie interagieren, eigene Fragestellungen einbringen und Lernprozesse dynamisch gestalten.